Das Frühwerk zeigt stimmungsvolle Natur- und Stadtlandschaften im Stil des französischen Impressionismus, den er in Berlin (Kunstsalon Paul Cassirer) und anlässlich eines knapp einjährigen Paris-Aufenthalts kennenlernen und studieren konnte. Er verknüpft Pleinairmalerei mit fauvistischer Farbigkeit.
Nach Berlin zurückgekehrt, erweitert sich seine Motivwahl auf Plätze, Straßen, Caféhäuser und Vorstadtansichten sowie auf Bauwerke, die den technischen Fortschritt dokumentieren (Gasometer, Fabrikschlote, etc.). Seine Zeichnungen zeigen einen weichen, fließenden Strich, die Gemälde eine gedämpfte Farbskala, fein nuanciert, ohne koloristische Effekte, großflächig bearbeitet.
Meidner bricht radikal mit seinem bisherigen Schaffen. Er verarbeitet in seinem Werk Elemente des italienischen Futurismus, des französischen Kubismus, sowie des Orphismus von Robert Delaunay. Sich in prismatisch geometrische Elemente zergliedernde Architektur, unterschiedliche Perspektiven wiedergebende, zusammenstürzende Linien führen zu einer Dynamisierung und Dramatisierung des bildnerischen Geschehens.
Häuser und Stadtlandschaften werden nicht mehr als statisch geordnete Architektur dargestellt, sondern zeigen ein apokalyptisches Bedrohungszenario.
Mit Gründung der Gruppe der 'Pathetiker' (1911) verdeutlicht Meidner das
programmatische Ziel seiner Kunst:
‚Den Bildern einen großen erregenden
Inhalt geben, nicht nur ästhetische Bedürfnisse einer kleinen elitären Schicht befriedigen'.
Entsprechend die Themen: die Vereinsamung des Menschen in der Großstadt, die Sintflut, der Prophet, der Weltuntergang, der Krieg.
Meidners expressionistischer Stil findet auch Eingang in eine Reihe großartiger Selbstportraits, Portraits von Künstlerfreunden und Berühmtheiten des Berliner Kulturlebens. Sie begründen Meidners Ruf als überragenden Portraitisten.
Nach dem 1. Weltkrieg verändert sich Meidners weltanschauliche Einstellung vom revolutionären Atheisten zum gottgläubigen orthodoxen Juden.
Diese Veränderung spiegelt sich in den thematischen Bezügen und in der
stilistischen Ausformung seines Werkes. Die zahlreichen Selbstportraits,
die zeitlebens sein Werk bestimmen, wandeln sich zu religiösen Selbstbekenntnissen – als jüdischer Beter, als verkleideter Prophet, als Schriftgelehrter.
Der bewegte expressionistische Duktus seiner Hand beruhigt sich, die Linienführung, namentlich in seinen Papierarbeiten, wird kleinteiliger, feiner. Das Werk findet zu Ruhe und Gelassenheit. Meidner nimmt Abschied von apokalyptischen Pathosformeln der Kriegs- und Vorkriegszeit.
In Deutschland als jüdischer Künstler gebrandmarkt, sein Werk als entartet zur Schau gestellt und diffamiert, findet Meidner in der englischen Emigration zu kunsthistorisch noch weitgehend unerforschten neuen Ausdrucksformen. Es dominieren die Zeichnung und das Aquarell. Gesellschaftskritische Zyklen mit teils skurrilen, humoristischen Darstellungen zeigen eine geistige Nähe zum Werk von William Hogarth und Honoré Daumier.
1952 kehrt Meidner aus dem Englischen Exil nach Deutschland zurück. Er findet Zuflucht in dem kleinen Taunusstädtchen Hofheim, wo er bis zu seinem letzten Umzug nach Darmstadt (1963), wie er schreibt‚ 'die glücklichsten Jahre' verlebt.
Er widmet sich nunmehr fast ausschließlich der Malerei in Öl – eine ihm in den Jahren des Krieges aus Mangel an entsprechender Farbe verwehrte Ausdrucksform - und der Zeichnung. Portraits von Besuchern, Freunden und Schülern, aber auch Prominenten des politischen Lebens, sowie Stillleben bestimmen das motivische Geschehen. Begründet in seiner nunmehr explizit naturalistischen Malweise gerät er angesichts der vorherrschenden abstrakt malenden Avantgarde der deutschen Nachriegskunst ins Abseits, während im Gegensatz hierzu sein einzigartiges expressionistisches Werk zunehmend wieder ins kulturelle Bewusstsein rückt.
Meidner erfährt als herausgehobener Repräsentant des deutschen Expressionismus zahlreiche Ehrungen und öffentliche Würdigungen. Er stirbt 1966.
© Ludwig Meidner Gesellschaft 2015